DFL testet Remote-Produktion unter Live-Bedingungen

27.06.2023 – Neue Technologien eröffnen in der Sport-Medienproduktion neue Chancen. Unter anderem Cloud-Computing und superschnelle 5G-Netzwerke sowie innovative, KI-unterstützte Produktionsverfahren treiben diese Entwicklung voran. Die DFL setzt bereits seit mehreren Jahren in unterschiedlichen Geschäftsbereichen auf diese Technologien – auch in der Medialisierung der Bundesliga und 2. Bundesliga. In den vergangenen Monaten hat die DFL-Tochterfirma Sportcast mehrere Tests zum Thema Remote-Produktion durchgeführt.

Erstmals Remote-Produktionen in der 2. Bundesliga getestet

Eine Remote-Produktion verortet einen Teil des an der Übertragung beteiligten Personals in einer zentralen Produktionsumgebung – und nicht wie üblich am Stadion, in dem das jeweilige Spiel stattfindet. So werden neue Möglichkeiten erschlossen, Produktionsprozesse zu verschlanken und damit ressourcenschonend zu arbeiten. Bereits während der SportsInnovation 2022 war im Rahmen der Innovationsspiele eine Cloud-gestützte Remote-Produktion im 9:16-Format erfolgreich demonstriert worden.

Während der Saison 2022/23 konnte Sportcast die eigenen Erfahrungen durch zwei weitere Tests vertiefen. Der erste davon erfolgte im Rahmen einer Remote-Produktion mit klassischen Übertragungswegen. Beim zweiten Test wurde dann in einem weltweit erstmaligen Proof-of-Concept-Test (PoC) ein Spiel der 2. Bundesliga, Fortuna Düsseldorf gegen Eintracht Braunschweig, komplett Cloud-basiert, digital und remote produziert – parallel zur konventionellen Produktion. Dabei kamen elf Kameras zu Einsatz.

Luccas Roznowicz, Head of Digital Innovations, DFL GmbH, sagt zum Stellenwert dieses Tests: „Die DFL setzt Innovation entlang ihrer “glass to glass”-Strategie um, das heißt vom Glas der Kameralinse im Stadion ausgehend und am Bildschirm oder Display der Zuschauenden endend. Dafür versuchen wir, unser Innovationsökosystem zu nutzen. In diesem Fall konnten wir unser eigenes Produktions-Know-how mit der Cloud-Expertise unseres globalen Technologie-Providers Amazon Web Services verbinden.“

Das AWS Dashboard diente zur Überwachung der Cloud-Funktionalität und der damit verbundenen Datenraten.

Erfolgreiche Kooperation mit Technologie-Partnern

Für einen gelungenen Test waren insgesamt elf Marktteilnehmer mit ihren verschiedenen Dienstleistungen zu koordinieren, berichtet Stefan Hausen, Technischer Projektmanager bei der Sportcast GmbH: „Amazon Web Services lieferte uns die Cloud-Plattform. Die zwei Anbieter, deren Produktionsplattformen unseren 10-Bit-Workflow (siehe Infobox) mit höchsten Qualitätsstandards einhalten können, sind die Firma Grass Valley mit dem AMPP-System und die Firma Evertz mit dem Dream-Catcher-System. Am 8-Bit-Workflow (siehe Infobox), den wir als zweites System aufgebaut haben, waren die Firmen Vizrt und Simply Live beteiligt und über ein NDI-Protokoll angebunden.“

Über den 10-Bit-/8-Bit-Workflow

Der 10-Bit-Workflow beschreibt die Anzahl der Helligkeitsstufen in einem Videosignal von tiefschwarz bis zum hellsten Bildinhalt – in Summe bis zu 1024 Helligkeitsstufen. Diese Qualitätsstufe entspricht dem Broadcast-Standard, in dem auch das Basissignal der DFL erstellt wird. Im Gegensatz dazu liefert das 8-Bit Signal bis zu 265 Helligkeitsstufen, was zum Beispiel für Streaming-Anwendungen ausreichend ist.

Für die Partnerschaft mit Amazon Web Services (AWS), dem Technologie-Provider der DFL, ist das Projekt ein Meilenstein, betont Shane Warden, Principal Consultant Sports bei Amazon Web Services: „Die DFL und wir bei AWS stellen uns hier gemeinsam mit unseren Partnern und Lieferanten der Herausforderung, bei einem Fußballspiel einen Live-Produktionsworkflow mit einer Farbtiefe von 10 Bit bei einer Farbauflösung von 4:2:2 (siehe Infobox) zu verwirklichen. Dabei verschieben wir mit unserem Qualitätsanspruch die Grenzen des Machbaren. Es ist unser Ziel, künftig Live- und Non-Live-Inhalte aus Sportveranstaltungen auf diese Weise remote zu produzieren.“

Über die 4:2:2-Farbauflösung

Die Bezeichnung 4:2:2 beschreibt ein Codierungsverfahren zur Datenreduktion in der Farbübertragung. Im Gegensatz zu den Helligkeitssprüngen (siehe 10-Bit-/8-Bit-Workflow) nimmt das Auge Farbunterschiede weniger deutlich wahr. Daher kann die Auflösung der Farbinformation geringer sein als die der Helligkeitsinformation, was eine Verringerung der Menge an zu transportierenden Daten ermöglicht.

Vertraute Bedienfunktionen für das Produktionsteam

„Dass die kreative Arbeit mit vertrauter Ausrüstung wie bei einer konventionellen Produktion erfolgen kann, war allen Beteiligten wichtig“, betont David Sabine, Principal Broadcast Consultant bei Amazon Web Services. „Alle Benutzeroberflächen und Mischpulte entsprechen dem gewohnten Standard, sodass keine zusätzliche Trainings- und Einarbeitungszeit anfällt.“

Dieser Arbeitsplatz des Slomo-Operators (zuständig für die Zeitlupen) war mit dem Dreamcatcher-System der Firma Evertz ausgestattet.

Auf eine Konzeptionsphase von acht Wochen folgten fünf Tage Aufbauzeit im Düsseldorfer Stadion und am Remote-Produktionsstandort in Hannover. Stefan Hausen berichtet über die virtualisierte Remote-Produktion in der AWS Cloud: „In der Produktion übernehmen wir die Kamerasignale vom Ü-Wagen am Stadion. Dazu haben wir eine Shadow-Produktion aufgebaut, in der die Kameras zu einem normalen Live-Spiel gedoppelt werden. Durch den 10-Bit-Standard in der Farbtiefe, den wir erstmalig einhalten, haben wir in der Cloud-Produktion einen Meilenstein gesetzt.“

Auf dem Weg zur Live-Produktion der nächsten Generation

In insgesamt drei Live-Tests hat die DFL so in den vergangenen Monaten umfangreiche Erfahrungen mit der Remote-Produktion von Spielen zusammengetragen. Die Ergebnisse aller Tests wurden detailliert erfasst und dienen künftig als Grundlage für die Weiterentwicklung des Remote-Konzepts. „Wir kennen nun Möglichkeiten und Limitierungen der derzeitigen Technologien“, resümiert Tim Achberger, Director Technology & Product Management bei der Sportcast GmbH, die Tests. „Unser Ziel ist und bleibt, die Spiele der Bundesliga und 2. Bundesliga stets in höchster Qualität zu produzieren. Dabei stellt sich uns stets die Frage, in welcher Form neueste Technologien in das Produktionsmodell der Zukunft einfließen können.“ Allen am PoC Mitwirkenden bestätigt er hervorragende Arbeit und sagt: „Wir haben jetzt eine wesentlich breitere Wissensbasis, um uns mit der Transformation der Medienproduktion auseinanderzusetzen.“