Abschied von der DFL-Spitze: Dr. Reinhard Rauball – der geborene Präsident

Text: Roland Zorn

16.08.2019 – Dr. Reinhard Rauball ist, was man nicht lernen kann: der geborene Präsident. Beruflich kämpft er seit Jahr und Tag für Recht und Gerechtigkeit: als renommierter Rechtsanwalt. Seinen Bewegungsdrang („Ich bin ja noch jung“) lebt er auch mit 72 Jahren nach wie vor aktiv im Fußball aus: hin und wieder in der Traditionsmannschaft des BVB, vor allem aber bei den Alten Herren des TSC Eintracht Dortmund, wo er mit Freunden und Gleichgesinnten spielt und als immer noch wendiger Stürmer unweit des riesigen SIGNAL IDUNA PARKS bei Gelegenheit Tore schießt.

Nebenan zelebriert die Dortmunder Borussia ihre Künste – der Verein, dem Rauball schon drei Mal treue und beste Dienste erwiesen hat. Von 1979 – als er mit 32 Jahren der bis heute jüngste Bundesliga-Präsident wurde – bis 1982, von 1984 bis 1986 und seit 2004 bis heute als oberster Repräsentant des stolzen und bodenständigen westfälischen Clubs.

Als Dr. Reinhard Rauball ab 1979 zum ersten Mal den BVB führte, war er mit 32 Jahren der jüngste Präsident eines Clubs in der Bundesliga-Geschichte.

15 Jahre, die er, zu Beginn seiner letzten Amtszeit vor allem als Krisenmanager gefragt, mehr und mehr genossen hat und genießt. Schließlich ist der BVB, im operativen Tagesgeschäft angeführt vom Vorsitzenden der Geschäftsführung Hans-Joachim Watzke, längst wieder eine Topadresse im deutschen und internationalen Fußball, was sich in den Deutschen Meisterschaften 2011 und 2012, den DFB-Pokalsiegen 2012 und 2017 sowie der UEFA-Champions-League-Finalteilnahme 2013 spiegelt.

Seine Herzenspräsidentschaft und sein anspruchsvoller Beruf, in dem er unter anderem die Zeit dazu fand, einige Artikel eines Grundgesetzkommentars zu verfassen, füllten den in Northeim am Rande des Harz geborenen Rauball aus. Doch angesichts der reizvollen Aufgabe bedurfte es keiner zähen Überzeugungsarbeit, ihn auch für das höchste Ehrenamt in der DFL Deutsche Fußball Liga zu gewinnen. Der Dortmunder Gentleman, ein belastbarer Vorarbeiter in allem, was er tut, steht seit 2007 als Präsident des früheren Ligaverbandes und heutigen DFL e.V. an der Spitze des deutschen Profifußballs. Mit seiner fachlichen Autorität, diplomatischem Geschick, großem Engagement und seiner menschlichen Qualität hat Rauball den Profifußball in diesen zwölf Jahren Seite an Seite mit DFL-Geschäftsführer Christian Seifert immer weiter vorangebracht. „Mit ihm habe ich mich durchgängig sehr gut verstanden“, sagt Rauball über seinen badischen Partner: „Er hat seine Arbeit in unserer gemeinsamen Zeit sehr konsequent und erfolgreich gemacht und sich immer zur DFL bekannt. So war Kontinuität gewährleistet.“

Auch im Rahmen der DFL-Neujahrsempfänge hat Dr. Reinhard Rauball seit seiner Wahl an die Spitze des deutschen Profifußballs zu aktuellen Themen und Entwicklungen Position bezogen.

Über sich selbst und seinen Anteil an der Erfolgsgeschichte der Bundesliga, die, als er kam, im Ranking der Europäischen Fußball-Union nur auf Rang sechs hinter Rumänien platziert war, spricht Rauball eher in indirekten Wendungen. Etwa wenn er mit Blick auf die Umsätze aus der Vermarktung der nationalen Medienrechte sagt: „Bei den wiederkehrenden Abschlüssen zur Verteilung der Medienerlöse war es mir immer sehr wichtig, einen Weg zwischen den sehr wirtschaftsstarken Clubs und denen, die im Vergleich dazu finanziell nicht ganz so stark aufgestellt sind, zu finden. Ich kann mich an keine Entscheidung erinnern, die nicht einstimmig gefallen ist. Das war nicht immer nur einfach. Da gab es viele bilaterale Gespräche.“ Die er mit Hingabe für die gemeinsame Sache geführt hat.

Für den Dortmunder Grandseigneur spricht auch, dass er schon im vorigen Jahr erkannt hat, dass bei der Komplexität der Entscheidungen, die die DFL in diesen Zeiten des ständigen Umbruchs zu treffen hat, neue Strukturen hilfreich sein können. Sie nehmen in diesem Jahr am 21. August bei der DFL-Generalversammlung in Berlin Gestalt an, wenn Rauball von seinem Präsidentenamt Abschied nimmt und diese Position in Zukunft nicht mehr besetzt wird.

„Gemeinsam mit den Clubs, ihren Vertretern in den Gremien und der DFL GmbH konnte einiges erreicht werden“

Sprecher des Präsidiums wird stattdessen fortan stets der Chef der DFL GmbH sein, dessen Arbeit ein künftig in veränderter Konstellation bestehender Aufsichtsrat kritisch begleiten wird. „Gemeinsam sind wir überzeugt davon, dass der DFL e.V. als Zusammenschluss der 36 Clubs eine neue zeitgemäße Organisationsform benötigt“, hatte Rauball im September des vorigen Jahres gesagt und damit auch die Abschaffung der von ihm beispielhaft verkörperten Position gemeint. „Gemeinsam mit den Clubs, ihren Vertretern in den Gremien und der DFL GmbH konnte einiges erreicht werden“, sagte Rauball. Diese gemeinschaftlich erreichten Erfolge spiegeln sich unter anderem in der wirtschaftlichen Entwicklung des deutschen Profifußballs wider – etwa dem stetig gewachsenen Gesamtumsatz bei den Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga von 1,93 Milliarden Euro in seiner ersten Saison im Amt (2007/08) auf 4,42 Milliarden Euro in der Spielzeit 2017/18.

Zählt man seine einzelnen Präsidentschaftsjahre zusammen, kommt man neben zwölf Jahren an der DFL-Spitze auf bereits 20 Jahre in Diensten des BVB, dem er über seinen Abschied als DFL-Präsident hinaus unverändert vorsteht. Plus einem weiteren Jahr durch seine beiden Einsätze als kommissarischer Präsident des DFB, den er wie in den Monaten nach Wolfgang Niersbachs Demission zwischen November 2015 und April 2016 seit dem Rücktritt von Reinhard Grindel im April dieses Jahres aufs Neue gemeinsam mit Dr. Rainer Koch bis zur Wahl eines neuen DFB-Vormanns beim Frankfurter Bundestag am 27. September anführt. Über einen Mangel an Auslastung hat sich Rauball, der an der Bochumer Ruhr-Universität studiert hat und dort auch als erster Jurist einen Lehrauftrag für Sportrecht innehatte, folgerichtig nie beklagt.

Vor seinem Engagement bei Borussia Dortmund promovierte Dr. Reinhard Rauball zum Thema „Die Gemeindebezirke, Bezirksausschüsse und Ortsvorsteher“.

Dennoch haben die Menschen, die den Dortmunder seit Langem kennen, nie den Eindruck eines gehetzten Tausendsassas, wenn sie mit Rauball reden oder seinen Rat einholen. Mit seiner fundierten Sachkenntnis und seinen praxisorientierten Lösungsvorschlägen in Streitfragen ist er ein Mann, der erhitzte Gemüter zu beruhigen versteht. „Reinhard hat so gut wie nie schlechte Laune“, hat Watzke einmal über seinen Mitstreiter gesagt: „Er hat Spaß am Leben.“ Dieser in Rauball wohnende Optimismus, gepaart mit großer Lebensklugheit, hat den von ihm vertretenen Institutionen und Klienten schon oft geholfen.

Dass er 1979, mehr noch 1984 als Retter in sportlicher und wirtschaftlicher Not eine Art Überlebenshelfer des BVB war und dem Club vor 35 Jahren, als schon einmal die Pleite drohte, auf den letzten Drücker einen Avalkredit zur Rettung der Bundesliga-Lizenz besorgte, will er im Nachhinein gar nicht mehr groß thematisieren. Sein Anteil an der Sanierung 2004 und 2005, als die „Schwarz–Gelben“ nach verschwenderischen Jahren vor der Insolvenz standen, war ähnlich groß.

Dr. Reinhard Rauball bleibt auch nach seinem Abschied von der DFL Präsident von Borussia Dortmund.

Damals kämpften Watzke und sein Weggefährte Rauball, der sich ein drittes Mal hatte breitschlagen lassen, den Präsidentenjob zu übernehmen, um die ersten Lichtzeichen in einem pechschwarzen Tunnel – und hatten Erfolg. „Die Menschen in Dortmund trauten damals nichts und niemandem mehr. Aber zu Reinhard Rauball hatten sie extremes Vertrauen“, sagt Watzke beim Blick zurück auf die Jahre allerhöchster Borussen-Not. Es hat sich gelohnt, da sich der Club nicht nur erholt hat von den Jahren einer allzu waghalsigen Vereinspolitik, sondern längst wieder da angekommen ist, wo ihn Millionen seiner Fans am liebsten sehen: ganz oben mit Blickkontakt zum Meisterplatz.

Wichtig ist Rauball darüber hinaus der schon früh von ihm formulierte Anspruch einer verstärkten Vertretung von Interessen des Profifußballs auch im politischen Raum zu den zentralen Themen. Der Macher und Versöhner Rauball meldet sich als nun schon 50 Jahre lang treues SPD-Mitglied auch zu gesellschaftspolitischen Fragen unverändert zu Wort – etwa wenn er die Aufnahme des Sports als Staatsziel ins Grundgesetz fordert. Sein Augenmerk liegt zudem immer auch auf der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung. Dieser Verpflichtung des Fußballs kommt auch die DFL Stiftung nach, deren Vorsitzender des Stiftungsrats Rauball seit der Gründung vor zehn Jahren – damals noch als Bundesliga-Stiftung – ist. Längst nicht zuletzt setzt er sich als Mitglied des Präsidiums des Evangelischen Kirchentages mit verschiedenen Perspektiven auf Sport und Religion auseinander.

Zwölf Jahre an der Spitze: Dr. Reinhard Rauball, hier nach seiner Wahl zum DFL-Präsidenten im Jahr 2007.

Als Mann des geschliffenen Wortes hat er in vielen Sportgerichtsverfahren, oft mit Erfolg und stets mit klugen Argumenten, Partei ergriffen für seine Mandantinnen und Mandanten. Die Neubrandenburger Sprinterin Katrin Krabbe, die er Anfang der Neunzigerjahre in einem spektakulären Doping-Prozess verteidigte, hat er ein paar Jahre später noch einmal angerufen. Nachdem er einen befreundeten Arzt aus Kalifornien, der an Rauballs Geburtstag am 25. Dezember allzu ausgiebig von seinen Marathonerfahrungen schwärmte, darum gebeten hatte, das Wort „Marathon“ auch mal zu meiden, versprach Rauball im Gegenzug, bei nächster Gelegenheit in Los Angeles am Marathon teilzunehmen. Danach war guter Rat teuer. „Frau Krabbe“, fragte der tollkühne Hobbykicker mit Landesliga-Erfahrung seine ehemalige Mandantin, „würden Sie mir zutrauen, einen Marathon zu laufen?“ Pause. „Sie sagte erst einmal gar nichts. Ich antwortete: Hallo, ich bin noch dran. Ich hatte Sie gerade gefragt …“ Dann antwortete Frau Krabbe, und zwar so: „Lassen Sie es! Einer, der darin keine Erfahrung hat, braucht mindestens ein halbes Jahr Vorbereitung.“ Dummerweise jedoch fand der von Rauball ins Auge gefasste Marathon schon zwei Monate später statt. Und eine Absage war keine Option.

Hilfe für den umtriebigen und mit durchaus trockenem Humor gesegneten Rauball kam schließlich von einem Bekannten, der schon mehrmals an Marathonläufen teilgenommen hatte und nun als Trainer den Weg des Novizen auf diesem Gebiet gen Los Angeles ebnete. Dort bewältigte Rauball nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel“ die 42,195 Kilometer lange Strecke in rund viereinhalb Stunden. Und war darüber so glücklich, dass er die Strapazen später in London ein zweites Mal auf sich nahm. Für den Sport leidet Reinhard Rauball manchmal gern. Ob als Aktiver oder als Präsident. Vor allem wenn der Schmerz dann nachlässt, die Mühsal sich gelohnt hat – und der ewige Tatendrang wieder einmal gestillt ist. Zumindest für kurze Zeit.

Hintergrund: Autor Roland Zorn hat als Fußballchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Bundesliga über Jahrzehnte begleitet. Im DFL MAGAZIN hat er in der Rubrik »Innenansichten« jahrelang über Hintergründe, Trends und Themen des Profifußballs geschrieben. Sein Text zum Abschied von Dr. Rauball ist zunächst in Ausgabe 4|19 des DFL MAGAZINS erschienen. Ein Download der kostenlosen E-Paper-App für Smartphones und Tables ist im App Store und bei Google Play möglich.