„Wir werden keine Anteile an der Bundesliga verkaufen“

Die Geschäftsführer Axel Hellmann und Oliver Leki beim DFL-Neujahrsempfang 2023 im Januar.
Foto: DFL/Getty Images/Alexander Scheuber

05.05.2023 – Vergangene Woche haben das Präsidium des DFL Deutsche Fußball Liga e.V. und der Aufsichtsrat der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH in einer gemeinsamen Sitzung einstimmig beschlossen, dass der Prozess bezüglich einer strategischen Partnerschaft auf Liga-Ebene fortgesetzt wird und die Eckpunkte einer Partnerschaft den 36 Proficlubs im Rahmen einer außerordentlichen DFL-Mitgliederversammlung am 24. Mai zur Entscheidung darüber vorgelegt werden, ob auf Basis des Konzepts und ausgewählter indikativer Angebote von möglichen strategischen Partnern der Eintritt in die nächste Prozessphase und weitere Verhandlungen mit einzelnen Interessenten erfolgen.

Informationen zum Prozess und Hintergründe der Überlegungen haben Axel Hellmann und Oliver Leki am gestrigen Donnerstag in einem Mediengespräch dargelegt.

Eine Zusammenfassung aktueller Aussagen der beiden DFL-Geschäftsführer:

ZUR AUSGANGSLAGE

Axel Hellmann:

  • „Die 36 Clubs haben das Recht zur Verwertung ihrer clubeigenen Rechte im Bereich der Medien an die DFL übertragen. Unsere Aufgabe als DFL ist es, die wirtschaftliche Grundlage für die Wettbewerbsfähigkeit der Clubs zu schaffen. Wir sind verpflichtet zu einer langfristigen Stabilisierung und zur Schaffung der wirtschaftlichen Grundlage für professionellen Fußballsport. Wir müssen dabei in langfristiges und nachhaltiges Wachstum investieren. Uns hilft es nicht, wenn wir drei, vier Jahre lang ein Strohfeuer entfachen, schnelle Erlöse mitnehmen – um dann wieder auf ein Niveau zurückzufallen, bei dem die Clubs unter Druck geraten, weil sie ihre Kostenseite angepasst haben.“
  • „Es ist nicht mehr so, dass es noch ein abgegrenztes TV-Umfeld gibt, wo man mit Free-TV und Pay-TV zwei wesentliche Schienen hat. Die Welt hat sich verändert. Sie ist digitaler geworden. Das legt natürlich Druck auf bestimmte klassische Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder. Alles läuft von allein, das wirtschaftliche Rückgrat der Bundesliga ist gesichert bis in alle Zeiten – von diesem Denken müssen wir uns verabschieden! Wir müssen uns darauf einstellen, dass das, was die letzten Jahrzehnte galt, möglicherweise die nächsten Jahrzehnte nicht mehr gilt.“
  • „Wir haben einen veränderten Medienkonsum. Sie können Premier League schauen, Sie können La Liga schauen, Sie können andere Sportarten schauen. Es ist nicht mehr so, dass der Samstagnachmittag, der Sonntag oder der Freitagabend die Insel der Glückseligkeit für die Bundesliga sind. Wir konkurrieren heute mit ganz vielen neuen und veränderten Angeboten am Markt, die auch die Aufmerksamkeit und die Zeit der Fans absorbieren. Darauf müssen wir reagieren.“
  • „Die Kapitalisierung von anderen Ligen und Clubs in Europa hat in besonderem Maße zugenommen und setzt uns natürlich unter einen Kostendruck. Oliver Leki und ich sind zwei absolute Verfechter von 50+1. Das heißt aber nicht, dass wir nicht zur Kenntnis nehmen, dass Investitionen irgendwo herkommen müssen. Dass wir uns in der Liga entschieden haben, 50+1 zu erhalten und zu stärken, und dass wir gleichzeitig die Notwendigkeit sehen, dass die Zentralvermarktung der Liga ausgebaut werden muss – das ist die Grundlage dafür, Kapital aufzunehmen. Wir müssen einen eigenen Weg gehen – und wir müssen uns Gedanken dahingehend machen, dass Zukunftsinvestitionen in die Liga auch von der Liga in der Breite geschultert werden müssen.“

Oliver Leki:

  • „Die Gremien der DFL haben eine enorme Verantwortung für die Entwicklung des Ligaverbandes und kommen dieser auch nach. Das sind Fragen rund um die sportliche Entwicklung, gesellschaftliche Verantwortung – aber eben auch rund um die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit der Liga und dazu, wie sich unser Geschäftsmodell als Liga, bei dem im Mittelpunkt die Zentralvermarktung steht, in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird.“
  • „Dass ich durchaus kritisch auf das Thema strategische Partnerschaft schaue, dürfte kein Geheimnis sein. Aber dass ich gleichzeitig mit der notwendigen Offenheit rangehe, ist auch Teil der Wahrheit, weil es letztendlich darum geht, die Zukunft der Liga abzusichern. Es geht nicht darum, die Premier League anzugreifen. Wenn das die Intention des Projekts gewesen wäre, hätte ich mich keine Sekunde damit beschäftigt.“
  • „Das Geschäftsmodell und die Zentralvermarktung – die essenzieller Bestandteil des Funktionierens der Liga, so wie wir sie heute kennen, ist – stehen unter Druck. Medienmärkte verändern sich, Technologien verändern sich, Nutzerverhalten verändert sich. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen, und das war für uns auch wegweisend: Wegschauen geht nicht. Wir wollen uns alle nicht in vier, fünf Jahren nicht dem Vorwurf aussetzen lassen: ‚Das hätte man sehen müssen! Damit hätte man sich beschäftigen müssen! Habt ihr das nicht kommen sehen?‘ Wenn man in den Gremien dieser Liga sitzt, muss man sich mit diesen Punkten beschäftigen. Das haben wir in den vergangenen Monaten sehr intensiv getan. Das war auch aus den Gremien heraus unser Auftrag als Interimsgeschäftsführung, sich mit Modellen zur Weiterentwicklung der Liga zu befassen.“

ZU LEITPLANKEN EINER MÖGLICHEN STRATEGISCHEN PARTNERSCHAFT:

Oliver Leki:

  • „Wir werden keine Anteile an der Bundesliga verkaufen, sondern wir gehen auf ein Modell, das eine zeitlich befristete Minderheitsbeteiligung an Vermarktungserlösen bedeuten würde. Das ist im Fußball auch keine ganz neue Idee. In den vergangenen 20 Jahren hatten fast alle Vereine mal Vermarkter, auch zeitlich befristet. Da konnten im Geschäftsbereich Sponsoring und Marketing eine Zeit lang durch diese Vermarkter auch extreme Mehrwerte geliefert werden. Die Clubs haben sich verbessert, haben sich professionalisiert – und sich irgendwann wieder weitgehend von den Vermarktern getrennt. Ein Stück weit würde ich diese Parallele von Club- und Liga-Ebene sehen. Deshalb ist der Begriff strategischer Partner angemessener, als von einem reinen Investor zu sprechen. Denn es geht hier auch um Know-how, das ein Partner mitbringen muss.“
  • „Es gibt dabei ein paar Regeln, es gibt auch klare Stoppschilder. Hoheitliche Rechte sind tabu, das ist nicht Teil der Zusammenarbeit. Spieltagsorganisation und Spielplanung haben zum Beispiel in der neuen Vermarktungsgesellschaft rechtlich nichts zu suchen, und darauf gibt es auch keine Zugriffsmöglichkeit. Diese Trennung ist sehr strikt. In dem Punkt sind wir völlig klar.“

Axel Hellmann:

  • „Ich war kürzlich bei unserem Auswärtsspiel in Dortmund und habe die zahlreichen Transparente der Fans gesehen. Ich komme selbst aus der Fanszene. Die Urangst, es wird womöglich etwas von der Fan- und Lebenskultur entnommen, kann ich daher total verstehen. Aber: Auf hoheitliche Entscheidungen hat ein strategischer Partner keinen Einfluss, stattdessen werden diese Entscheidungen auch in Zukunft bei den 36 Clubs und den gewählten Repräsentanten der entscheidenden Gremien liegen.“

ZUR VERWENDUNG DES WACHSTUMSKAPITALS AUS EINER MÖGLICHEN STRATEGISCHEN PARTNERSCHAFT:

Oliver Leki:

  • „Wir werden nicht den Markt fluten mit Geldern in den Sport, in die Kader, in die Personalkosten, zu den Beratern. Das wird eine sehr geringe Größe sein.“
  • „Es gibt in unserem Vorschlag einen klaren Fokus auf die beiden Säulen DFL-Investitionen und zweckgebundene Förder-Maßnahmen der Clubs. In der Anlaufzeit, während der ersten Jahre, muss der Anteil der Erlöse, der an einen potenziell strategischen Partner geht, für die Clubs ein Stück weit kompensiert werden, damit sie sich in dieser Phase nicht dramatisch verschlechtern, was ihre Einnahmen angeht. Der restliche Teil kann frei investiert werden – zum Beispiel in den Sport, in die Nachwuchsleistungszentren. Der ist in der Größenordnung mittlerweile verschwindend gering, weil der Fokus ganz klar auf den ersten beiden Säulen liegt.“

ZUR GLEICHZEITIGEN BEDEUTUNG INTERNATIONALER REGULATORIK:

Axel Hellmann:

  • „Es geht uns in der Strategie der DFL um zwei Sachen: Zum einen, dass wir uns selbst über die Stärkung unserer Erlösbasis langfristige Gedanken machen. Zum anderen um eine Stärkung der Regulatorik, um die Wettbewerbsintegrität zu erhalten. Das passt zur Entwicklung bei der UEFA in Bezug auf notwendige Anpassungen der Regulatorik auf der Kostenseite. Wohin geht der Fußball? Wie viel Geld kann in Zukunft von außen in den Fußball investiert werden? Und gibt es neben den relativen Maßnahmen zur finanziellen Nachhaltigkeit innerhalb des europäischen Fußballs auch absolute Grenzen? Das war bislang eine heilige Kuh, und ich bin froh, dass die UEFA das Thema jetzt anschiebt. Dass man sich dort damit beschäftigt, zeigt, dass all unsere Anstrengungen, die wir seit Jahren auf Club- und DFL-Ebene unternommen haben, um in Europa zu einer schärferen regulatorischen Begrenzung der Kapitalzuflüsse von außen zu kommen, aufgegriffen werden.“

ZU ÜBERLEGUNGEN EINER ZENTRALEN BUNDESLIGA-PLATTFORM:

Axel Hellmann:

  • „Wir müssen eine Diversifizierung unserer Erlösströme vornehmen. Neben dem veränderten Mediennutzungsverhalten, dem veränderten Medienkonsum und der Ausrichtung von Medienunternehmen auf Premium-Content haben wir Märkte, in denen wir von einzelnen Partnern abhängig sind. Das kann mal gut sein, wenn man einen guten und tragfähigen Partner hat. Aber solche Abhängigkeiten sind gefährlich.“
  • „Unser Kernthema ist der Aufbau einer eigenen Plattform. Wir wollen global beginnen, direkte Kontakte zu Fans der Bundesliga, Fans des deutschen Fußballs, Fußballfans oder einfach Sportfans mit Begeisterung für das, was die Bundesliga zu bieten hat, aufzubauen. Diese Beziehung haben wir aktuell nicht. Sie muss aber bestehen, wenn die Bundesliga auch direkte Angebote adressieren möchte. Der Plattform-Ansatz geht weit über mögliches Streaming hinaus und ist getragen von vielerlei Leistungen, bei denen auch die Clubs stärker mitwirken müssen. Das würde unseren Handlungsspielraum erweitern, weil wir damit in der Lage wären, auch eigene wirtschaftliche Angebote in Märkte zu bringen. Wenn man sich anguckt, was andere Ligen in diesem Bereich tun, und wenn man sich den internationalen Sport anguckt, dann ist das ein zentrales Thema, wo wir Handlungsbedarf haben.“

ZU WEITEREM VORGEHEN UND ENTSCHEIDUNGEN:

Oliver Leki:

  • „Es ist wie immer im Leben: Man hat verschiedene Möglichkeiten. Ich glaube nur, dass es wichtig ist, dass man sich der Konsequenzen bewusst ist, was der jeweilige Weg bedeutet, den man einschlägt. Es ist wichtig, dass man diese Debatte im Rahmen der 36 Clubs führt. Das ist bei so einer Entscheidung von essenzieller Bedeutung auch notwendig. Es ist eine Grundsatzentscheidung, die am Ende von den Clubs zu treffen ist. Jeder Club muss diese Abwägung vornehmen, das ist das Recht eines jeden, der in diesem Verband Mitglied ist. Aktuell würde ich sagen, es spricht viel dafür, dass man diesen Weg gehen kann. Wir haben ordentliche Meter gemacht in den letzten Wochen, und jetzt sind die nächsten Gespräche mit den Clubs geplant, und dann die nächste außerordentliche Mitgliederversammlung am 24. Mai.“
  • „Ob wir in konkrete Verhandlungen einsteigen werden, darüber werden die Clubs dann entscheiden. Dann wird sich eben auch erstmal zeigen, inwieweit die Vorstellungen von unserer Seite – und wir haben sehr klare Vorstellungen, wir haben sehr klare Erwartungen – auch passen zu denjenigen, die potenziell als strategischer Partner einsteigen würden.“

ZU ALTERNATIVEN FINANZIERUNGSOPTIONEN DER WEITERENTWICKLUNG:

Oliver Leki:

  • „Das Thema einer Kreditaufnahme wurde hinreichend diskutiert. Das ist ein Stück weit eine Philosophiefrage: Wie will man sein Unternehmen, sein Geschäft finanzieren? Da gibt es nicht unbedingt ein Richtig und ein Falsch. Meine persönliche Meinung: Es kann nicht richtig sein, dass wir die DFL mit einem Milliardendarlehen überziehen und von heute auf morgen in Milliardenhöhe verschulden. Fremdkapital ist immer günstiger als Eigenkapital, aber wenn man sich aktuell die Entwicklung am Kapitalmarkt anschaut: Auch da ziehen die Zinsen massiv an. Wenn man sich die Situation der DFL ansieht, dann könnte man zudem ein Darlehen auch nicht optimal besichern. Das hat wiederum Auswirkungen auf den Zinssatz. Ein weiterer und entscheidender Punkt, der gegen ein Fremdkapitalmodell spricht, ist: Das komplette Risiko würde bei der DFL und den Clubs liegen.“
  • „In der Abwägung steht im Konzept eine Eigenkapitalfinanzierung unter Einbindung eines strategischen Partners, der eine ordentliche Rendite hätte, der aber auch bereit ist, das Risiko mitzugehen und zusätzlich Know-how einbringen muss. Entscheidend ist auch, dass die 12,5 Prozent Minderheitsbeteiligung an den Rechten zwar über den entsprechenden Zeitraum anfallen würden – aber nach Ende der Laufzeit fallen die Rechte entschädigungslos an die Liga zurück. Man müsste also nicht, wie bei einem Darlehen, das ganze Geld auf Strecke oder am Schluss zurückzahlen, sondern das würde alles in einer Beteiligung stecken.“

ZUM ZEITPUNKT DER KOMMUNIKATION:

Axel Hellmann:

  • „Es wäre sehr theoretisch gewesen, früher einen tieferen Einblick in das Partnerschaftsmodell zu geben, weil wir erstmal sicher sein wollten, dass es potenziell gute strategische Partner gibt, mit denen man sich auf so eine Reise begeben kann. Deswegen war die Marktabfrage, die wir gemacht haben, und die am vorletzten Montag zur Abgabe der sogenannten vorläufigen indikativen Angebote geführt hat, für uns maßgeblich. Zu sehen: Die Liga ist attraktiv; es gibt eine Nachfrage nach dem, was wir anbieten können; unser Geschäftskonzept, das wir entwickelt haben, findet am Markt Anklang – das war ein zentraler Baustein, auch für die Kommunikation. Genauso essenziell war die Einstimmigkeit in den Gremien, um der Mitgliederversammlung, die wir für den 24. Mai terminiert haben, ein Konzept vorzuschlagen.“