Rechtssicherheit für die 50+1-Regel: DFL-Präsidium verabschiedet Vorschlag an das Bundeskartellamt

Foto: DFL/Witters
  • Keine weiteren Ausnahmen von der 50+1-Regel vorgesehen
  • Bestandsschutz unter Bedingungen für bisherige Clubs mit Förderausnahmen

08.03.2023 – Mit dem Ziel, die Rechtssicherheit der 50+1-Regel weiter zu erhöhen und vorläufige kartellrechtliche Bedenken des Bundeskartellamts gegen die Gesamtregel (50+1-Grundregel in Zusammenschau mit der Förderausnahmeregelung) auszuräumen, hat sich das Präsidium der DFL Deutsche Fußball Liga einstimmig auf einen Vorschlag für Verpflichtungszusagen verständigt. Dieser Vorschlag wurde jetzt dem Bundeskartellamt vorgelegt. Unter anderem soll es in Zukunft keine weiteren Förderausnahmen von der 50+1-Regel geben. Für die Clubs, denen in der Vergangenheit auf Basis der jeweiligen Satzung von DFB bzw. DFL bereits eine Förderausnahme erteilt wurde, ist ein Bestandsschutz unter Bedingungen vorgesehen. Diese Bedingungen bezwecken, dass die Förderausnahmen konsistenter mit der 50+1-Grundregel ausgestaltet werden. Im nächsten Schritt wird das Bundeskartellamt nach Konsultation der zum Verfahren Beigeladenen den Vorschlag bewerten.

Die Prüfung geht zurück auf eine Initiative des DFL-Präsidiums vom 18. Juli 2018. Das Gremium hatte seinerzeit beim Bundeskartellamt eine Entscheidung nach § 32c GWB beantragt, um mögliche kartellrechtliche Bedenken bezüglich der 50+1-Regel und ihrer Anwendung und Auslegung prüfen zu lassen. Ausgangspunkt war ein im Rahmen der DFL-Mitgliederversammlung vom 22. März 2018 ermitteltes Meinungsbild: Damals stimmten die Clubs auf Basis eines Antrags mehrheitlich für einen „Prozess zur Verbesserung der Rechtssicherheit sowie weitere Überlegungen hinsichtlich geänderter Rahmenbedingungen unter Beibehaltung der 50+1-Regel“.

Am 31. Mai 2021 hatte das Bundeskartellamt seine vorläufige Bewertung in einem Termin mit Vertretern der DFL erläutert und anschließend auch in schriftlicher Form an die DFL und die bis dahin zu dem Verfahren Beigeladenen übermittelt. Darin hieß es unter anderem: „Während die Grundregel für sich genommen aufgrund der damit verfolgten sportpolitischen Ziele voraussichtlich kartellrechtsneutral wäre, ergibt sich dieses Ergebnis nicht mehr in Zusammenschau mit der Förderausnahme.“

Auf diese vorläufige Einschätzung folgte ein intensiver, teilweise kontroverser, aber konstruktiver Austausch zwischen Vertretern von DFL-Präsidium und DFL, den sogenannten Förderclubs und dem Bundeskartellamt. Ziel war und ist es dabei aus Sicht des DFL-Präsidiums, auf Grundlage der geltenden Satzung des DFL e.V. kartellrechtskonforme Lösungsansätze zu entwickeln, die die Grundregel 50+1 schützen und damit das Ziel „Verbesserung der Rechtssicherheit“ auch tatsächlich erreichen.

Sollte der jetzt vom DFL-Präsidium eingereichte Vorschlag vom Bundeskartellamt nach dem nun folgenden Bewertungs- und Konsultationsprozess gemäß § 32b GWB für verbindlich erklärt werden und anschließend die DFL-Mitgliederversammlung per Beschluss mit Zwei-Drittel-Mehrheit einer entsprechenden Anpassung der Satzung des DFL e.V. zustimmen, wären die vorläufigen Bedenken des Bundeskartellamts ausgeräumt und damit das Ziel des ursprünglichen Antrags des DFL-Präsidiums an das Bundeskartellamt erreicht.

Die Eckpunkte des vom DFL-Präsidium vorgelegten Vorschlags im Sinne von erhöhter Rechtssicherheit der 50+1-Regel:

  • Die Möglichkeit von Förderausnahmen von der 50+1-Regel wird für die Zukunft aus der Satzung des DFL e.V. gestrichen.

  • Die Clubs, denen in der Vergangenheit eine Förderausnahme erteilt wurde (Bayer 04 Leverkusen, TSG Hoffenheim, VfL Wolfsburg), können im Sinne eines Bestandsschutzes auch künftig eine Lizenz zur Teilnahme an der Bundesliga oder 2. Bundesliga erhalten. Dieser Bestandsschutz wird nur unter bestimmten Voraussetzungen gewährt. Diese umfassen unter anderem folgende Neuerungen:
    • Der Förderclub wird gegenüber den Mitgliedern seines ehemaligen Muttervereins zu Partizipation und Transparenz verpflichtet. Der konkrete Vorschlag dahingehend lautet, dass dem Mutterverein das Recht eingeräumt werden muss, mindestens eine/n Vertreter/in in das mit Kontroll- und Zustimmungsbefugnissen ausgestattete Aufsichtsgremium der Kapitalgesellschaft zu entsenden. Diese/r Vertreter/in muss über die vollwertigen Rechte eines Mitgliedes des Gremiums bzw. eines Gesellschafters verfügen – dies schließt insbesondere das Rederecht, das Informations- und Auskunftsrecht sowie das Stimmrecht ein.
    • Aufgrund der Bedeutung von identitätsstiftenden Merkmalen eines Vereins dürfen Entscheidungen in Bezug z.B. auf den Namen, das Logo und die Farben eines Clubs, den Vereinssitz und eine wesentliche Reduzierung der Anzahl von Stehplätzen im Stadion nur unter Zustimmung des Aufsichtsgremiums bzw. der Gesellschafterversammlung getroffen werden. Dabei hat die/der Vertreter/in des ehemaligen Muttervereins ein Vetorecht – Änderungen können also nicht gegen ihre/seine Stimme beschlossen werden.

  • Mit Blick auf bestehende Ergebnisabführungsverträge erfolgt die Zahlung eines Ausgleichsbetrags, sofern während des Betrachtungszeitraums (analog UEFA-Regelungen: drei Jahre) ein Verlustausgleich durch den beherrschenden Förderer erfolgt ist und dieser Verlustausgleich eine Schwelle von 7,5 Prozent der Gesamterträge überschreitet. Für eine diesen Schwellenwert übersteigende Summe ist ein Ausgleichsbetrag (in Höhe des jeweiligen 12-Monate-Euribor-Zinssatzes zuzüglich eines Prozentpunktes) zu leisten.

  • Mit Blick auf eine stille Beteiligung eines beherrschenden Förderers/Mehrheitsgesellschafters erfolgt die Zahlung eines Ausgleichsbetrags, sofern während des Betrachtungszeitraums (analog UEFA-Regelungen: drei Jahre) der Mehrheitsgesellschafter und/oder ein mit ihm verbundenes Unternehmen einen Verlust der Kapitalgesellschaft ausgleicht oder als stiller Gesellschafter durch nach Erteilung der Ausnahmegenehmigung von der 50+1-Regel geleistete Einlagen an Verlusten teilnimmt und dieser Verlustausgleich eine Schwelle von 12,5 Prozent der Gesamterträge überschreitet. Für eine diesen Schwellenwert übersteigende Summe ist ein Ausgleichsbetrag (in Höhe des jeweiligen 12-Monate-Euribor-Zinssatzes zuzüglich eines Prozentpunktes) zu leisten.


Die TSG Hoffenheim und Herr Dietmar Hopp haben am 1. März 2023 bekanntgegeben, dass Dietmar Hopp künftig auf die zum 1. Juli 2015 wirksam gewordene Ausnahmegenehmigung von der 50+1-Regel verzichten und die Mehrheit seiner Stimmrechtsanteile ohne Entschädigung zurück an den Verein übertragen möchte, wodurch die TSG in den Kreis der „50+1-Regelclubs“ zurückkehren würde. Solange diese Rückübertragung nicht wirksam vollzogen ist, bleibt die TSG Hoffenheim von den genannten Verpflichtungszusagen erfasst.

Was ist die 50+1-Regel?

Die sogenannte 50+1-Regel ist Bestandteil der Satzung des DFL Deutsche Fußball Liga e.V., des Zusammenschlusses der 36 deutschen Proficlubs.

Viele Clubs haben ihren Profifußballbetrieb in eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert. Die in § 8 der Satzung des DFL e.V. verankerte 50+1-Regel bestimmt, dass eine solche Kapitalgesellschaft nur dann eine Lizenz für die Teilnahme an der Bundesliga oder 2. Bundesliga erwerben kann, wenn der jeweilige Mutterverein mehrheitlich an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist, also mindestens 50 Prozent der Stimmanteile plus mindestens einen weiteren Stimmanteil in der Versammlung der an der Kapitalgesellschaft beteiligten Anteilseigner hält. Kurz: Die Stimmmehrheit muss beim Mutterverein liegen. Für die 3. Liga verwendet der DFB eine gleichlautende Regelung.

Die Einführung der 50+1-Regel erfolgte im Jahr 1998 im Zuge der Öffnung des Spielbetriebs der Lizenzligen für Kapitalgesellschaften per Beschluss des DFB-Bundestags. Ziel dieser Öffnung war es, „Lizenzvereinen die Umwandlung ihres lizenzierten Spielbetriebs in eine Kapitalgesellschaft zu ermöglichen“ und damit „Finanzierungsmöglichkeiten am Kapitalmarkt“ oder „die organisatorisch verbindliche Einbindung von Sponsoren und anderen Interessierten“ zu eröffnen. Als zentrale Ziele der zeitgleich beschlossenen 50+1-Regel formulierte der DFB damals, dass „die organisatorische Verbindung von Leistungssport (Lizenzmannschaften) und Breitensport gewährleistet“ bleibt und „die Ausgliederung möglichst neutral für die Wettbewerbssituation der Bundesligen und der verbandlichen Strukturen“ zu gestalten ist.

Ist – wie im Fall vieler Bundesliga-Clubs – eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) Lizenznehmer, muss der Mutterverein oder eine von ihm zu 100 Prozent beherrschte Tochter gemäß Satzung des DFL e.V. die Stellung des Komplementärs in der KGaA haben. Bei der KGaA genügt ein Stimmenanteil des Muttervereins von weniger als 50 Prozent, wenn auf andere Weise sichergestellt ist, dass er eine vergleichbare Stellung hat wie ein an der Kapitalgesellschaft mehrheitlich beteiligter Gesellschafter. Dies setzt insbesondere voraus, dass dem Komplementär die kraft Gesetzes eingeräumte Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis uneingeschränkt zusteht.