Fragen und Antworten zur 50+1-Regel

I) Entscheidung über den Antrag zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung von der 50+1-Regel durch Hannover 96 und Herrn Martin Kind

  1. Worum geht es bei der aktuellen Angelegenheit zwischen Hannover 96, Herrn Martin Kind und der DFL?
    Der Hannoversche Sportverein von 1896 e.V., die Hannover 96 GmbH & Co. KGaA und Herr Martin Kind haben am 4. August 2017 beim DFL Deutsche Fußball Liga e.V. die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung von der 50+1-Regel beantragt. Ziel des Antrags ist es, Herrn Martin Kind zu ermöglichen, die Mehrheit der Geschäftsanteile an der Hannover 96 Management GmbH zu übernehmen, die wiederum alleinige Komplementärin der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA ist.
    Die Hannover 96 GmbH & Co. KGaA als Bundesliga-Club und Mitglied im DFL e.V. unterliegt der in der DFL-Satzung verankerten 50+1-Regel. Das Präsidium des DFL e.V. hat den Antrag abgelehnt, weil es das Kriterium der „erheblichen Förderung“ im Sinne der Satzung als nicht erfüllt ansieht.
    Die Satzung des DFL Deutsche Fußball Liga e.V. finden Sie hier, Erwerb und Ende der Mitgliedschaft im DFL e.V. und die in diesem Abschnitt angesiedelte 50+1-Regel sind in Paragraph 8 geregelt.
  2. Was ist die 50+1-Regel?
    Die 50+1-Regel ist Bestandteil der Satzung des DFL Deutsche Fußball Liga e.V. Sie bestimmt, dass eine Kapitalgesellschaft nur dann eine Lizenz für die Teilnahme an der Bundesliga oder 2. Bundesliga erwerben kann, wenn der jeweilige Mutterverein mehrheitlich an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist, also mindestens 50% der Stimmanteile plus einen weiteren Stimmanteil in der Versammlung der an der Kapitalgesellschaft beteiligten Anteilseigner hält. Für den Bereich des DFB verwendet der DFB eine gleichlautende Regelung.

Ist – wie im Fall vieler Bundesliga-Clubs – eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) Lizenznehmer, muss der Mutterverein (oder eine von ihm zu 100% beherrschte Tochter) die Stellung des Komplementärs in der KGaA haben, kann aber nach Maßgabe der DFL-Satzung die Kommanditanteile auch mehrheitlich an Dritte veräußern.

3. Worauf bezieht sich der Antrag von Herrn Martin Kind und Hannover 96 konkret?
Der Antrag bezieht sich auf Paragraph 8, Nummer 3 der DFL-Satzung, wo es heißt: „Über Ausnahmen vom Erfordernis einer mehrheitlichen Beteiligung des Muttervereins nur in Fällen, in denen ein anderer Rechtsträger seit mehr als 20 Jahren den Fußballsport des Muttervereins ununterbrochen und erheblich gefördert hat, entscheidet das Präsidium des DFL e.V.“
Das DFL-Präsidium als das zuständige Gremium hat bei seiner abschließenden Bewertung konsequent die Satzung in einer den hierzu erlassenen Auslegungsleitlinien entsprechenden Weise angewendet. Dabei ist es zu der Einschätzung gelangt, dass im konkreten Fall von Herrn Martin Kind und Hannover 96 die Voraussetzung zur Erteilung einer Ausnahme nicht gegeben ist.

4. Was sind Auslegungsleitlinien?
Die im Satzungstext verankerten Kriterien zu möglichen Ausnahmen von der 50+1-Regel sind präzisierungsbedürftig. So ist z.B. nicht exakt definiert, wie der Begriff „erhebliche Förderung“ auszulegen ist. Zur konkreten Anwendung der Satzung hat der Vorstand des Ligaverbands (als Vorgänger-Organ des heutigen DFL-Präsidiums) im Jahr 2014 eine Präzisierung vorgenommen und in den entsprechenden Auslegungsleitlinien formuliert, diese in einer Mitgliederversammlung vorgestellt, sie allen Clubs per Rundschreiben zur Verfügung gestellt und auch bereits im Fall von TSG 1899 Hoffenheim und Dietmar Hopp angewandt.
Den Begriff der „erheblichen Förderung“ präzisieren die Auslegungsleitlinien so, dass die Höhe der finanziellen Förderung in dem 20-jährigen Förderzeitraum grundsätzlich mindestens dem durchschnittlichen Budgetanteil des Hauptsponsorings / höchsten Einzelsponsorings in der jeweiligen Spielzeit entsprechen muss. Das Präsidium sieht im Falle von Herrn Martin Kind und Hannover 96 diese Voraussetzung als nicht erfüllt an.

5. Weshalb ist die Satzung so abstrakt formuliert, dass es einer Auslegungsrichtlinie bedarf?
Vereinssatzungen sind grundsätzlich bis zu einem gewissen Grad abstrakt formuliert, sie können niemals Einzelfälle vorwegnehmen bzw. regeln. Dadurch kommt den Gremien die Aufgabe zu, die Satzung bei Bedarf auszulegen und Einzelfallentscheidungen zu treffen. Dabei ist die Satzung immer objektiv und im Verhältnis zu allen Vereinsmitgliedern einheitlich auszulegen. Zur Konkretisierung und Präzisierung der in der Satzung enthaltenen Rechtsbegriffe hat der Vorstand des Ligaverbandes als Vorgänger-Organ des DFL-Präsidiums bereits 2014 die Auslegungsleitlinien erlassen.

6. Wie viele Bundesliga-Clubs werden derzeit als Kapitalgesellschaften geführt?
In der abgelaufenen Spielzeit haben 22 Clubs mit in Kapitalgesellschaften ausgegliederten Lizenzspielerabteilungen am Spielbetrieb der Bundesliga und 2. Bundesliga teilgenommen. In drei Fällen existiert eine Ausnahme von der 50+1-Regel (Bayer 04 Leverkusen, VfL Wolfsburg, TSG 1899 Hoffenheim).

7. Wann und zu welchem Zweck wurde die 50+1-Regel eingeführt?
Die Einführung der 50+1-Regel erfolgte im Jahr 1998 im Zuge der Öffnung des Spielbetriebs der Lizenzligen für Kapitalgesellschaften per Beschluss des DFB-Bundestags. Ziel dieser Öffnung war es, „Lizenzvereinen die Umwandlung ihres lizenzierten Spielbetriebs in eine Kapitalgesellschaft zu ermöglichen“ und damit „Finanzierungsmöglichkeiten am Kapitalmarkt“ oder „die organisatorisch verbindliche Einbindung von Sponsoren und anderen Interessierten“ zu eröffnen. Als zentrale Ziele der zeitgleich beschlossenen 50+1-Regel hat der DFB formuliert, dass „die organisatorische Verbindung von Leistungssport (Lizenzmannschaften) und Breitensport gewährleistet“ bleibt und „die Ausgliederung möglichst neutral für die Wettbewerbssituation der Bundesligen und der verbandlichen Strukturen“ zu gestalten ist.

8. Welche Möglichkeit haben Hannover 96 und Herr Martin Kind, um ihren Wunsch nach einer Ausnahme ggf. weiter zu verfolgen?
Wenn Hannover 96 und Herr Martin Kind ihren Wunsch nach einer Ausnahme von der 50+1-Regel weiterverfolgen möchten, besteht die Möglichkeit, das Ständige Schiedsgericht der Lizenzligen anzurufen.

9. Was ist das Ständige Schiedsgericht der Lizenzligen?
Über sämtliche Streitigkeiten zwischen dem DFL e.V., der DFL GmbH und/oder dem DFB einerseits und einem Club andererseits entscheidet das Ständige Schiedsgericht für Vereine und Kapitalgesellschaften der Lizenzligen (Ständiges Schiedsgericht). Dessen Schiedsspruch ist verbandsintern endgültig und hat unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils. Es kann nur bei Vorliegen einer endgültigen Entscheidung eines Organs des DFL e.V., der DFL GmbH oder des DFB angerufen werden, das nach den jeweiligen Satzungen und Ordnungen zur abschließenden Entscheidung der Sache zuständig ist.

Das Ständige Schiedsgericht entscheidet in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern. Jeder Schiedsrichter muss die Befähigung zum Richteramt besitzen sowie unparteilich und unabhängig sein. Vorsitzender des Ständigen Schiedsgerichts ist der ehemalige Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Udo Steiner. Für das jeweilige Verfahren bestimmen die beteiligten Parteien jeweils einen Beisitzer ihrer Wahl.

II) Einbeziehung des Bundeskartellamts im Hinblick auf die Anwendung und Auslegung der 50+1-Regel

10. Weshalb hält das Präsidium es für sinnvoll und notwendig, das Bundeskartellamt in den Konsultationsprozess einzubeziehen?
Unabhängig von der Entscheidung über den Antrag von Hannover 96 und Herrn Martin Kind hat das DFL-Präsidium beim Bundeskartellamt ein Prüfverfahren nach § 32c GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) beantragt. Die DFL und ihre Mitglieder unterliegen im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit auch den kartellrechtlichen Vorschriften. Für die jährliche Lizenzerteilung müssen die Clubs die Satzung der DFL einhalten, um am Spielbetrieb teilnehmen zu können. Kartellrechtlich gesehen, bestimmt demnach auch die in der Satzung enthaltene 50+1-Regel darüber, ob und wie ein Club wirtschaftlich tätig sein kann.

11. Was heißt „Verfahren nach § 32c GWB“?
Ziel eines Verfahrens nach § 32c GWB ist die Klärung der Rechtslage im öffentlichen Interesse und im Interesse der Betroffenen. In einem solchen Verfahren wird geprüft, ob das untersuchte Verhalten gegen das Kartellrecht verstößt. Durch eine Entscheidung nach § 32c GWB erklärt das Bundeskartellamt verbindlich, dass es vorbehaltlich neuer Erkenntnisse hinsichtlich des Prüfungsgegenstands kein Verfahren einleiten oder fortsetzen wird.

12. Wie wird der Verfahrensablauf aussehen?
Es ist zu erwarten, dass das Bundeskartellamt zunächst Gespräche mit der DFL führen und von der DFL Informationen einholen wird. Üblicherweise werden im Verlaufe eines Prüfverfahrens auch sonstige Betroffene in das Verfahren eingebunden. Auf der Grundlage aller Informationen, welche das Bundeskartellamt insbesondere durch die Gespräche und Schriftsätze erhält, wird dann eine abschließende Prüfung und Entscheidung erfolgen.

(Stand: 18.07.2018)