dfl.de-Interview mit Ansgar Schwenken: “Bisher 241 Tests zur Vorbereitung”

23.07.2017 – In der Bundesliga-Saison 2017/18 wird bei allen 306 Begegnungen ein Video-Assistent zum Einsatz kommen. Als DFL-Direktor Fußball-Angelegenheiten & Fans ist Ansgar Schwenken (Foto unten), zudem Mitglied der Geschäftsleitung, seitens der DFL auch für das während der zweijährigen Testphase gemeinsam mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) vorangetriebene Großprojekt verantwortlich. Im Interview spricht er über den Einsatz dieser Neuerung sowie das Video-Assist-Center, das die DFL am vergangenen Donnerstag in Köln präsentiert hat.

dfl.de: Herr Schwenken, sind die Video-Assistenten vorbereitet für ihren Einsatz?

Ansgar Schwenken: Auf jeden Fall sind wir überzeugt, alles nur Mögliche dafür getan zu haben. Gemeinsam mit dem Schiedsrichterwesen des DFB haben wir im vergangenen Jahr insgesamt 241 Tests durchgeführt, 127 Offline und 114 Pre-Live-Tests. Alle 23 Bundesliga-Schiedsrichter der vergangenen Saison sind dadurch bestens geschult für den Einsatz als Video-Assistent in der kommenden Spielzeit. Wir fühlen uns insgesamt sehr gut vorbereitet. Spieler, Trainer, Manager und Schiedsrichter freuen sich darauf, dass der Fußball dadurch noch etwas gerechter wird, was sicherlich auch die Fans als positiv bewerten.

dfl.de: Alle Video-Assistenten werden in Köln im Einsatz sein. Das dortige Video-Assist-Center hat die DFL kürzlich präsentiert. Was sind die Vorteile dieser zentralen Lösung?

Schwenken: Das Video-Assist-Center, mit dem wir einen internationalen Maßstab setzen, bietet – etwa im Gegensatz zum Einsatz des Video-Assistenten in Vans vor dem jeweiligen Stadion – Vorteile unter anderem in Fragen der Vernetzung, des Austauschs sowie der einheitlichen Anwendung, die zentral besser abzugleichen ist. Zudem nutzen wir Synergien beim Einsatz eines Supervisors, der die Video-Assistenten an jedem Spieltag unterstützt.

dfl.de: Wie wird die gesamte Besetzung im Video-Assist-Center am Spieltag aussehen?

Schwenken: Zeitgleich können dort bis zu sechs Video-Assistenten arbeiten und jeweils ein Spiel begleiten. Dabei handelt es sich zunächst um die 23 Bundesliga-Schiedsrichter vergangenen Saison, unter ihnen auch Dr. Jochen Drees, Günter Perl und Wolfgang Stark, die nach der Spielzeit 2016/17 wegen Erreichens der Altersgrenze von 47 Jahren ihre Laufbahn als Schiedsrichter beendet haben. In absehbarer Zeit und nach entsprechender Schulung kommen die vier in der Bundesliga-Saison 2017/18 neuen Schiedsrichter hinzu. Der Video-Assistent wird jeweils von zwei Operatoren des Technologiepartners “Hawk-Eye” unterstützt. Zudem wird wie erwähnt ein Supervisor im Einsatz sein, mit dem sich der Video-Assistent bei Bedarf abstimmen kann. Dabei wird es sich jeweils um Mitglieder der Schiedsrichterelitekommission wie Hellmut Krug handeln.

dfl.de: Was ist die Aufgabe der Operatoren?

Schwenken: Ihnen stehen alle Kamerabilder der Live-Übertragungen der DFL-Tochtergesellschaft Sportcast aus den Stadien zur Verfügung. Sie haben die Aufgabe, diese in entsprechenden Situationen umgehend für den Video-Assistenten aufzubereiten, um diesem mit den aufschlussreichsten Perspektiven eine optimale Bewertung zu ermöglichen.

dfl.de: Welche Auswirkungen erwarten Sie für den Spielverlauf?

Schwenken: Wir haben die klare Zielsetzung, den Charakter des Spiels nicht zu verändern. Es soll nicht dadurch zu übermäßigen Nachspielzeiten kommen, dass Schiedsrichter und Video-Assistent zu lange kommunizieren. Wir sind der Ansicht, dass das Spiel von Fall zu Fall sogar beschleunigt fortgesetzt werden kann. Klar ist: Je mehr Erfahrung der Video-Assistent für seine neue Aufgabe gesammelt hat und je länger er sich mit dieser Thematik intensiv auseinandersetzt, umso schneller werden die Abläufe funktionieren.

dfl.de: Von welchen Zeitspannen darf in der Regel ausgegangen werden?

Schwenken: Die Testphase hat gezeigt, dass Entscheidungen in der Bundesliga in der Regel zwischen zehn und 40 Sekunden dauern werden – das wäre nicht übermäßig lang und manchmal sogar kürzer als bisherige Unterbrechungen bei strittigen Entscheidungen. Es hat in den 306 Begegnungen der vergangenen Bundesliga-Saison insgesamt 104 spielrelevante Fehlentscheidungen gegeben, also eine in etwa jeder dritten Begegnung. Es ist demnach nicht zu erwarten, dass der Video-Assistent bei jedem Spiel eingreift – dafür sind die Schiedsrichter in Deutschland viel zu gut.

dfl.de: Welche Erkenntnisse haben Sie aus dem Einsatz von Video-Assistenten beim Confederations Cup gezogen?

Schwenken: Das gesamte Zusammenspiel beim Thema Video-Assistent erfordert enorm viele Schulungsmaßnahmen und Erfahrungen aus der Praxis. Deshalb ist es von deutlichem Vorteil, dass wir schon in der kompletten vergangenen Saison intensive Tests für den Einsatz des Video-Assistenten bei Bundesliga-Spielen durchgeführt und in Testspielen angewendet haben. Somit sind unsere Video-Assistenten sicherlich anwendungssicherer als jemand, der vor einem Turnier in ein paar Tagen Schnellkurs darauf vorbereitet worden ist. Daneben haben wir die Auswirkungen für den Fan im Stadion und vor dem Fernseher genau beobachtet.

dfl.de: Waren diese Eindrücke hilfreich für die eigene Umsetzung?

Schwenken: Selbstverständlich ist es auch wichtig und hilfreich, die Erfahrungen anderer in die eigene Arbeit einfließen zu lassen. Von daher haben uns auch die Tests beim Confederations Cup oder bei anderen Turnieren aufschlussreiche Erkenntnisse gebracht, insbesondere was die Aufklärung der Zuschauer beim Einsatz des Video-Assistenten betrifft.